Am Donnerstag hatten Steve und ich das Glück, noch einen Tisch im „cuchina“ zu ergattern. Dort fand nämlich ein veganes Pop-up Dinner ganz unter dem Motto „Was der Boden hergibt“ statt, um zu zeigen, was aus den Früchten von Österreichs Bodenvielfalt kulinarisch gezaubert werden kann.

Nachdem Steve und ich beide Flexitarier mit dem Drang sind, Neues und Interessantes auszutesten, und ich einen Beitrag über das Pop-Up Dinner bei der veganen Gesellschaft in Österreich gelesen hatte, war mir klar: Dort müssen wir hin. Mit Postings von beinahe morse-ähnlicher Länge wurden dann auch die zwei letzten Plätze für Donnerstag gebucht.

Als wir dort ankamen (natürlich hatten wir uns prompt auf dem Hinweg verlaufen) war der Empfang sehr herzlich. Wir wurden sehr nett begrüßt und hatten noch beinahe freie Platzwahl auf dem Gemeinschaftstisch für 10 Personen. Ich fand den Blick auf die offene Küche sehr interessant, auch da man so schon versuchen konnte, das nächste Gericht anhand seines Geruches zu erraten.

Angefangen hat das Dinner mit kleinen, spontan eingebrachten Appetithäppchen. Später stellte sich heraus, dass es eine sehr nachhaltige Verwertung der ‚Küchenabfälle‘ war, denn die gewaschenen Schalen der Knollen wurden in feinen Streifen frittiert und portionsweise angerichtet. Steves und meine Vermutungen lagen bei Schwarzwurzel und Süßkartoffeln. Bei Ersterem hatten wir recht, aber statt der Süßkartoffel wurden wir dann doch mit Pastinake überrascht.

Nachdem das kleine Restaurant sich nach und nach gefüllt hatte und alle Gäste eingetroffen waren, wurde der erste Gang serviert. Damit das Ganze spannend blieb, wurde erst nach dem Kosten verraten, um welchen Bodenschatz es sich handelte, dem dieser Gang gewidmet war.

Die erste Vermutung war Zeller oder zumindest eine Zellerart in Form einer Jacobsmuschel auf Safrankraut.

"Faux Saint-Jacques" von der Pastinake auf Safran Orangenkraut, mit schwarzem Sesam und Granatapfelkernen

Die Pastinake wurde in Algen-Sud gegart, eingeschnitten und angebraten, um die Illusion der Jacobsmuschel zu kreieren. Dadurch wurde die Konsistenz und der Geschmack gut in den Vordergrund gehoben. Das aromatisierte Kraut hatte den dazugehörigen Biss und durch die gut eingesetzten Aromen verlor es seinen Eigengeschmack nicht. Begleitet wurde dieser Gang von einem Rosé Frizzante vom Zweigelt des Weinguts Wailand (Wien).

Für den zweiten Gang hatten wir sehr schnell eine Vermutung im Bezug auf die Wurzel, die sich dann auch als richtig herausgestellte.

Schwarzwurzel mit Miso und Koriander im Frühlingsrollenblatt gebacken auf Zitronencreme

Die Schwarzwurzel gerät leider sehr oft in Vergessenheit und schafft es gar nicht erst in die Küchen vieler Haushalte, da das Putzen und Vorbereiten vielen Leuten zu aufwändig ist. In der Hülle aus Miso, Koriander und dem Frühlingsrollenblatt konnte sie aber sehr wohl punkten. Diese asiatische Komponente wurde sehr gut von dem Senfblattsalat und der Zitronencreme unterstrichen und hat uns vollkommen begeistert. Der hierzu gereichte Weißwein hat das Gericht sehr gut abgerundet, ein Gumpoldkirchner Himmelfahrt - Weißweincuvee aus dem Weinbau Jutta Ambrositsch (Wien).

Nach dem Abservieren konnte man in der Küche erkennen, dass Suppenteller gereicht werden. Unsere Vermutungen gingen weiter. Bisher hatten wir Pastinake und Schwarzwurzel. Würde jetzt der zuvor vermutete Zeller kommen?

Potage purée vom Butternusskürbis mit Ingwer

Gereicht wurde uns ein Klassiker für alle Suppenkenner, in neuer Interpretation. Die Kürbiscremesuppe hat durch den Butternusskürbis schon ihre eigene Note, aber mit Sellerie und Zwiebel abgerundet, gewürzt mit Ingwer und langem Pfeffer, steht sie der klassischen Variante in nichts nach. Die frittierten Reisnudeln dazu gaben den nötigen Biss, sodass die Gedanken schon wieder in Richtung Fernost gingen.

Der vierte Gang war nach dem Servieren sehr leicht zu erraten, ein Klassiker aus dem österreichischem Boden: die rote Rübe.

Offene Ravioli von der Roten Rüben mit ebendieser gefüllt auf Sesamspinat

Die Rote-Rüben-Füllung war sehr fein im Geschmack, hatte Biss und sogar eine leicht fruchtige Note. Der blanchierte Blattspinat wurde mit Sesamöl abgeschmeckt und mit Sojamilchschaum und einem knusprigen Salbeiblatt abgerundet. Dazu gab es den zweiten Weißwein an diesem Abend, einen Nussdorfer Riesling Schöne Mauer des Weingut-Heuriger Kierlinger (Wien).

Mit dem Servieren des nächsten Ganges wurde die kulinarische Reise fortgesetzt.

Korma von verschiedenen Wurzeln mit Dahi Puki (Kichererbsenknöderl) und Linsenpapadam

Die Wurzeln waren auf den Punkt gegart, bissfest und hatten trotz der Würze nichts an Eigengeschmack verloren. Die Kichererbsenbällchen waren fest und geschmacklich sehr gut auf das Korma abgestimmt, ohne dass sie trocken wirkten. Und in das Papadam aus Linsenmehl (anstatt dem klassischen Kichererbsenmehl) hat sich Steve wohl verliebt ;)

Und dann kam das Highlight des Abends.

Ich hatte ein, zweimal ein verdächtiges Piepsen gehört und als der vierte Wein serviert wurde, ein Zweigelt Senator vom Weingut Cobenzl der Stadt Wien, wurde mir auch klar, was uns jetzt erwartete. Ich sah Eis. Wunderschönes, tiefrotes, frisches Eis!

Red Velvet Brownie von Roter Rübe, Bitterschokolade und Kokos mit Himbeersorbet

Kuchen, Eis und Krokant wurden ausgiebig begutachtet und gekostet, aber in dem Sorbet herrschte eindeutig die Himbeere mit ihrer Fruchtigkeit und Säure vor. Dass sich in dem schokoladigen Teig noch einmal die rote Rübe versteckte, hatten wir erst erkannt, als wir auf den zarten Rotton des Kuchens hingewiesen wurden. Die Konsistenz war bestechend, flaumig und saftig zugleich, dennoch war da dieser Biss durch die Kokosnuss vorhanden.


Das Team vom „cuchina“ hatte es geschafft: ein 6-Gänge-Menü, das in seiner kulinarischen Vielfalt begeisterte.

Dem Gast wurde die Wandelbarkeit des heimischen Wurzelgemüses verpackt in einem schönen Abend näher gebracht und gezeigt, dass veganes Essen nicht langweilig ist, im Gegenteil. Durch das Auseinandersetzen mit den Zutaten, ihrer Zubereitung und Verarbeitung, entstehen immer neue, raffiniertere Gerichte, die einen ganz vergessen lassen, dass Gemüse doch eigentlich „nur“ eine Beilage ist.


Interessante Links:
 „Was der Boden hergibt“
 „cuchina - die Lebensküche“
 „cuchina - die Lebensküche“